Die Kieztour Gesundheit

Franziska Leschewitz

Am 7. Oktober war ich auf meiner ersten Kieztour in Spandau unterwegs. Unter dem Motto „Gesundheit geht vor" besuchte ich vier unterschiedliche Einrichtungen, die sich alle mit dem Thema Gesundheit beschäftigen.

 

Die Kontakt- und Beratungsstelle SPAX

Bei der Kontakt- und Beratungsstelle SPAX in der Schönwalder Straße liegt der Schwerpunkt als einziges Streetworkingprojekt für Erwachsene im Bezirk auf Alkohol im öffentlichen Raum. Da SPAX zu Fixpunkt e.V. gehört, gehören aber auch opiatkonsumierende Menschen und deren Lebenslagen zur Arbeit dazu. Die Verdrängung aus der Innenstadt an die Außenbezirke macht auch vor Menschen mit Suchtproblematiken keinen Halt. Jedoch sind die Außenbezirke wie Spandau sehr schlecht mit Substitutionsstellen oder Konsumräumen ausgestattet. Dies verlagert zum einen die Problematik immer weiter in den öffentlichen Raum und nimmt den Menschen die Möglichkeit, sich professionell Hilfe zu holen. Auch wenn SPAX zwar keine Konsumräume anbieten kann, so werden hier wenigstens saubere Materialien ausgegeben. SPAX kümmert sich auch um die Beseitigung der Hinterlassenschaften. So werden hier EU-geförderte Beschäftigungen geboten, die für die Menschen nicht nur finanziell eine Bedeutung haben, sondern ihnen auch das Gefühl der Wertschätzung geben. Viele sind stolz auf ihre neue Aufgabe und füllen diese mit Hingabe aus. Dies führt auch zu einer deutlich steigenden Akzeptanz im Kiez. Betonen möchte ich die gemeinsamen Aktivitäten mit Menschen mit Behinderungen, wie zum Beispiel gemeinsame Grillende. Dies führt zu ganz neuen Begegnungen und ist für alle eine wundervolle Bereicherung. 

Wir dürfen die Menschen mit Suchterfahrungen mit ihren Problemen nicht alleine lassen. 

Das Senioren- und Therapiezentrum Haus Havelblick

Das Seniorenzentrum Haus Havelblick bietet qualifizierte und bedarfsgerechte Grund- und Behandlungspflege sowie betreutes Wohnen an. Die ca. 400 Beschäftigen kümmern sich um rund 600 SeniorInnen. Das Haus Havelblick ist zudem ein Ausbildungsbetrieb. Durch ein geschicktes Verlegungsmanagement konnte sich die Einrichtung gut gegen die Pandemie behaupten. Es gibt aber derzeit kaum Aufnahmen aus dem häuslichen Bereich. Zudem mussten die angebotenen Aktivitäten stark reduziert oder anders organisiert werden, was wiederum zu einem deutlich höheren finanziellen und organisatorischen Aufwand führte. Gerade die Menschen im betreuten Wohnen leiden darunter, dass sie nicht mehr wie gewohnt an den Freizeitaktivitäten teilnehmen können. Neben der Verunsicherung durch die vielen, teilweise widersprüchlichen Meldungen rund um COVID-19, konnte die Leiterin eine größere Angst und Unsicherheit in ihrem Team wahrnehmen. Dies führte zu weiteren psychischen Belastungen durch die Pandemie, die dann auf die erschwerten Arbeitsbedingungen zur Einhaltung der Hygiene treffen. Auch im Haus Havelblick war die Problematik der Anerkennung von Abschlüssen noch einmal Thema. 

Ich habe mich sehr gefreut, dass ich im Haus Havelblick auf eine sehr engagierte Einrichtungsleiterin getroffen bin, die sich um ihre Angestellten kümmert. So bietet sie zum Beispiel selbst WG-Zimmer an und unterstützt bei der Suche nach Kitaplätzen. 

Das Vivantes Klinikum Spandau

Auch die vierte Station der Tour, das Vivantes Klinikum Spandau, ist nach eigenen Aussagen durch eigenständiges und vorausschauendes Handeln sehr glimpflich durch die erste Welle gekommen. So wurden beispielsweise ÄrztInnen aus der Rente geholt oder Rücklagen in die Anstellung von neuen Kräften investiert. Diese Rücklagen werden später jedoch bei notwendigen Investitionen fehlen. Wir haben über die stark gestiegene psychische Belastung der Belegschaft gesprochen, die auf fehlende Anerkennung trifft. Nicht selten wird das eigene Risiko zum Schutz der PatientInnen hinten angestellt.

Es fehlen weiterhin neue Fachkräfte. Ein Problem sieht das Klinikum darin, dass der Bezirk gerade für junge Menschen sehr unattraktiv ist. Junge Familien haben durch fehlende Kitaplätze und mangelnden Wohnraum kaum Perspektiven in Spandau.

Viele Probleme häufen sich. Es kann nicht angehen, dass durch Investorendruck dringend benötigte Kitaplätze verschwinden und dadurch überlebenswichtige Bereiche wie die Krankenhäuser durch fehlendes Personal unterversorgt sind.

Das Centrovital Gesundheitszentrum

Das private centrovital Gesundheitszentrum besteht nicht nur aus einem Hotel und einem großen Spa, sondern kümmert sich auch um die Erkrankungen des Bewegungsapparates und bietet ambulante Reha an. Gerade zu Beginn der Pandemie fühlte sich das Gesundheitszentrum allein gelassen, konnte aber durch frühzeitiges und vorausschauendes Handeln die erste Welle recht gut überstehen. So wurden sehr schnell eigene Hygienekonzepte entwickelt und vorsorglich Desinfektionsmittel und Masken eingekauft. Zur Eindämmung der Pandemie wurde auch die Zahl der PatientInnen heruntergefahren. Durch die gute Vorbereitung kam es zu keinen Engpässen der stationären PatientInnen. Allerdings vermuten sie, dass es derzeit eine sehr hohe Dunkelziffer von Menschen gibt, die ihr Leiden nicht behandeln lassen können. Und Probleme mit dem Bewegungsapparat müssen zeitnah behandelt werden. Im Gespräch haben wir uns auch über die physischen und psychischen Herausforderungen durch Homeoffice und Homeschooling unterhalten: Stress, Angst und häusliche Gewalt nehmen in letzter Zeit leider dramatisch zu. Ein weiteres Problem ist die Anerkennung von Abschlüssen aus dem EU-Ausland. Viele gut ausgebildete Fachkräfte können aus diesem Grund nicht angestellt werden. Darüber hinaus gibt es bis heute keine staatliche Ausbildung für die Physiotherapie, sodass die Ausbildung aus eigener Tasche bezahlt werden muss.

Meine erste Kieztour war eine sehr spannende Erfahrung für mich. Der Kontakt zu den Menschen vor Ort ist ein wichtiger Grundstein für meine parlamentarische Arbeit. Nur so ist es möglich, die Probleme in der Stadt an der Wurzel anzupacken. Im November bin ich daher gleich zweimal wieder auf Tour im Bezirk.